Brief aus Quito #3

Hallo,
Ein gutes Neues Jahr noch!
Ich hoffe Du hattest ein schönes Jahr 2023, hast viele schöne Momente in Deinem Umfeld erlebt, das ein oder andere Neue erfahren und konntest während den Tagen zwischen den Jahren abgeschalten vom Wahnsinn dieser Welt und auch Kraft für 2024 sammeln.

Ich habe die Zeit zwischen den Jahren für diesen Brief genutzt.
Offensichtlich ist mein Konzept der 2-3 Briefe pro Jahr aus Quito im letzten Jahr nicht aufgegangen. Es ist nicht so, dass ich nicht 3-4 Briefanfänge in der (digitalen) Schublade hätte, aber aus verschiedensten Gründen (vor allem fehlende Zeit und Muse) habe ich dann doch keinen zum Abschluss gebracht…

Dafür nun dieser Brief zum Jahreswechsel: ein wenig zu berichten, wie es uns geht, was in diesem Jahr so alles passiert ist (und mich davon abgehalten hat zu schreiben…) und was uns gerade umtreibt und im nächsten Jahr sicherlich (weiter) beschäftigen wird ;-)

Wir hatten das Glück, dass sich im letzten Jahr vieles gefügt hat, wir hier gut angekommen sind und uns unser Umfeld so eingerichtet haben, dass wir uns zu Hause fühlen und nicht mehr jedes Gesicht in der Nachbarschaft zum ersten Mal sehen. Wir haben viele Freundschaften geknüpft und ein gutes Leben mit üblichen Höhen und auch Tiefen gehabt.

Es ist vieles im Fluss und es passieren immer neue Dinge: Ich habe angefangen in einem Permakulturprojekt mitzuarbeiten: Gärtnern und Organisationsentwicklung – eine sehr spannende Kombination. Außerdem hilft es auch sehr, 2-3 Tage in der Woche in einem großen “Klein”garten (in dem auf 1,5 ha immer Sommer ist, zu verbringen und die Welt draußen ein wenig in den Hintergrund rücken zu lassen ;-)


Die Kinder sind seit dem Sommer beide in der dt. Schule und genießen die gemeinsamen Schulbusfahrten; meine Partnerin hat ja Ende 2022 die Verantwortung für ein neues Projekt übernommen und dementsprechend viele Lernerfahrungen in einer für sie neuen Führungsrolle. K1 hat sein erstes Schuljahr erfolgreich beendet und genießt das Leben, das in diesem Alter noch so viele Freiheiten bietet.


Wir sind froh, dass wir es schaffen, eine gute Familiendynamik zu halten und dass sich die viele Energie, die wir in den letzten Jahren in die Erziehungsarbeit und -reflektion gesteckt haben, oft auszahlt. Den Alltag mit den Kindern zu gestalten erfordert immer noch sehr viel Energie und Langmut, aber auch da finden wir häufig eine gute Balance ohne alle Regeln aufzugeben.

Wir konnten in 2023 viel reisen und viele Orte rund um Quito kennenlernen und waren mit Opa und Oma auch das erste Mal auf Galapagos.
Jeder Wochenendausflug und jede Reise waren sehr besonders (und verdienen eigentlich eigene ausführliche Berichte), besonders eindrücklich waren die Besuche im Norden (Valle, Rio Intag, Cuicocha, Tumbabiro und der Paramó), im Amazonas, auf Galapagos und immer wieder in Mindo.

Hier will ich nun vor allem von unserer Sylvesterreise berichten, weil wir durch mind. vier verschiedene Klimazonen gekommen sind, viel überwältigende Natur und Landschaften gesehen haben und die Reiseeindrücke so frisch sind:

Von Quito (wir leben ja auf 2800 m ü. dem Meer) sind wir nach Südosten gefahren und haben einen ersten Halt im Nebelwald (südlich von Baeza; mit rd. 2000 Höhenmetern) gemacht. Dort sind wir durch die Wälder gestreift, haben einen Wasserfall entdeckt, sind mit dem Kanu gefahren und haben Baumriesen besucht.

Die Weiterfahrt nach Puyo, wo wir Utes Geburtstag im Regenwald auf 900 m gefeiert haben, wurde dann durch eine Brückensperrung unsanft verzögert. Die Brücke wird den halben Tag gebaut und die andere Tageshälfte mit Stahlplatten ausgelegt und für den Verkehr freigegeben. Durch zu viel Regen am Vormittag, wurde der Nachmittag zum Weiterbauen benötigt und die Brückenöffnung spontan von 14 auf 18 Uhr verschoben. Wir haben uns also erstmal einen netten Rastplatz gesucht für die 4 Stunden… Spannend ist, dass es keine Alternativstrecke nach Süden östlich der Anden gibt. Eine Straße, nicht 4 parallele Autobahnen ohne Geschwindigkeitsbegrenzung wie andernorts.
(Wer das Suchspiel spielen möchte: Finde eine Alternativstrecke von Baeza nach Tena mit vertretbarer zusätzlicher Reisezeit, wenn in Osayacu die Brücke über den Rio Jondachi (https://osm.org/go/NdTcrdr0M-) gesperrt ist. ;-)

Wir sind dann erst spätabends in Puyo angekommen, dafür aber mit spektakulärem Blick über den Regenwald aufgewacht.

Das Gästehaus steht an einem Hang mit Blick über riesiges Tal rd. 300 m unterhalb, das bis auf einen kleinen Weg nur mit Primärwald bedeckt ist. Es war wahnsinnig beeindruckend, mit welchem Panorama wir hier den Regenwald und das Waldklima über den Tag erleben konnten:
Zu beobachten, wie sich über Stunden immer mehr Wolken bilden, die nachmittags schon abregnen, was uns abends dann einen Bilderbuch-Sonnenuntergang beschert hat…

Wie vielfältig das Leben ist: Schmetterlinge, Vögel, Blattschneideameisen in freier Wildbahn, die Pflanzen, die Blüten, das Licht, wie sehr dieses ganze Leben an diesen Tagesrhythmus angepasst ist…
Wie viel Wasser schon dieses Stück Wald speichert, wie klein die menschlichen Maßstäbe im Vergleich zur Natur sind und wie sehr dieses ganze Waldsystem doch von Versteppung bedroht ist, weil nicht mehr genug Wasser aus den Bergen dazukommt…
Uns haben während unserer Zeit im Regenwald doch einige Fragen immer wieder beschäftigt.
Zur Krönung des Tages und nach ihrem Geburtstagsabendessensnachtisch durfte sich Ute dann über den spektakulären Aufgang eines großen Blutmondes in einer Hollywoodschaukel über dem Amazonas erfreuen.

Von Puyo ging es über die Passstraße und durch Baños einmal über die östliche Kordillere nach Salinas am Chimborazo und damit wieder ins Hochland auf rd. 3800 m. Dort haben wir Sylvester in einem tollen Haus mit Permakulturgarten und vielen Polylepsis-Bäumen verbracht, der auf einer Anhöhe über dem Ort liegt und von Klippen umgeben ist. Nachmittags mit den Kindern die Erfahrung gemacht, dass es im Hochland durchaus noch üblich ist (und bei viel Regen aufgrund der unbefestigten Straßen die einzige Option), viele Wege zu Fuß zurückzulegen. Trotz erheblicher Höhenunterschiede (der Einkauf im Dorf bedeutet 200 Höhenmeter runter und dann wieder hoch und man sollte tunlichst vermeiden das Geld zu vergessen… Merke ich mir jetzt!).
Für die Schulkinder hier natürlich der tollste Schulweg mit Höhlen am Weg, über Wiesen und mit Kletterpartien, wann immer man mag.

Abends dann bei Sonnenuntergang mit den Kindern aufs neue Jahr angestoßen und nach dem Abendessen ‘Dinner for One’ geschaut. Zum Neujahrsspaziergang sind wir dann in den Chimborazo Nationalpark gefahren und haben am ersten Refugio auf 4800 m eine Schneeballschlacht veranstaltet und das Gelände erkundet.
Zum Abschluss der Reise waren wir noch einen Tag in Riobamba, haben uns die Stadt und den Bahnhof angeschaut, auch wenn hier anders als noch vor 15 Jahren beim letzten Besuch kein Zug mehr fährt.

Ich bin immer wieder von der Natur und Biodiversität begeistert, die uns hier (noch) umgibt!
Alleine das Privileg zu haben, in einem Garten zu stehen und Schmetterline und Vögel in unmittelbarer Nähe beobachten und hören zu können, ist faszinierend. Wenn dann noch eine Aussicht mit Primärwäldern dazukommt, fehlt wenig ;-)
Es ist faszinierend, Eindrücke in so vielen Landschaften und Klimazonen sammeln zu können, die Anpassungsfähigkeit der Natur ist so beeindruckend, überall. Besonders die Wälder, egal ob im Amazonas oder im höher gelegenen Nebelwald, sind magische Orte, wie ich sie in Europa vielleicht nur aus Fontainbleau, Albanien oder Skandinavien kenne.
Eine Natur, wie wir sie in Europa durch das Abholzen fast aller Primärwälder schon seit Jahrhunderten nicht mehr kennen.
Willkommen im Anthrophozän…

Wir können uns sehr glücklich schätzen, 2023 ein so privilegiertes Leben gehabt zu haben. Wie oben angedeutet, schauen wir auch hier in und von Quito aus mit großer Sorge auf die Welt, denn dieses Jahr hatte ja durchaus einiges an Desillusionierungspotential:
Die sich weiter beschleunigende Klimakatastrophe und die Biodiversitätskrise, die Kriege und Konflikte und die sich rasant ausbreitende Demokratiekrise gehen auch an Ecuador nicht vorbei: nach einem Jahr mit viel zu viel Regen 2022, hat ein durch die Erderwärmung potenziertes El Niño 2023 viel zu wenig Regen mit vielen Waldbränden im August/September und regelmäßigen Stromabschaltungen im November/Dezember gebracht; im Präsidentschaftswahlkampf wurde der einzige wählbare und aussichtsreiche Kandidat erschossen (ein bekannter Investigativjournalist, der in Umfragen die drittmeisten Stimmen hatte) und die Sicherheitslage aufgrund von Bandenkriminalität und organisiertem Verbrechen verschlechtert sich kontinuierlich…
Erst in den letzten Wochen haben es zwei prominente Bandenchefs, die ihre Geschäfte teilweise seit Jahren aus dem Gefängnis heraus abwickeln mussten, geschafft, während Gefängnisrevolten spurlos zu verschwinden. Laut Presse haben sie sie einfach nicht mehr finden können – obwohl sie den Knast mit über 1000 PolizistInnen auf den Kopf gestellt haben…

Letzten Dienstag hat der neugewählte Präsident nun den Versuch gestartet, mittels landesweiten Ausnahmezustands, Militäreinsatz gegen 20 Banden aufgrund eines proklamierten “bewaffneten Konflikts im Inneren” und Ausgangssperre zwischen 23 und 5 Uhr, der desolaten Sicherheitssituation zu begegnen. Dennoch viel ändert sich nicht, insb. die Hafenstädte sind in der Hand der Banden und Narcos. Hier im Hochland und in Quito selbst merken wir nicht allzu viel von der angespannten Sicherheitslage, aber da auch die Schulen seit letztem Mittwoch geschlossen sind, fühlt man sich doch schneller in die Covid-Lockdown-Zeit zurückversetzt als einem lieb sein kann…

Wie aus Kolumbien und vielen anderen Ländern gut bekannt, ist der Kampf gegen organisierte Kriminalität und Narcos lang und mühsam. Erfolgsgarantie gibt es nicht, wir werden sehen müssen, wie es dann hier weiter geht in den nächsten Monaten und Jahren. Wir hoffen, dass es zu sowenig Schulschließungen kommt, wie möglich ;-)

Insgesamt höre ich allerdings nur wenige Stimmen, die die aktuelle Strategie als wirklich erfolgsversprechend erachten, ohne Verbesserung der Lebensstandards und Investition in Soziales bringen die Dekrete, die kurzfristig das Militär zu aktivieren, wenig. Die Frage ist letztendlich, wer den längeren Atem hat in diesem Kräftemessen…

Ich habe das Gefühl, dass wir (als Zivilisation) nicht (mehr) in einer Verfassung sind, die Paradigmenwechsel vollziehen zu können, die doch notwendig sind, um den Krisen und Problemen unserer Zeit nachhaltig zu begegnen.

Wir betonen immerzu das Trennende, das Alternativlose und stellen den Menschen immer noch in den Mittelpunkt einer Welt, die nicht für den Menschen gemacht wurde – ist es nicht offensichtlich, wer die Macht hat und dass es keine Bestrebungen gibt, irgendwas zu ändern? Wie wollen wir es überleben?

Ein wichtiger Satz, den ich kürzlich im Dissens-Podcast zum Thema “Wie solidarische Politik im Klimakollaps aussehen kann?” gehört habe, ist, dass wir den Versuch machen und uns die Motivation erhalten müssen, unsere Welt/unseren Bezugsrahmen positiv gestalten, egal ob es 2 oder 3 Grad Erderwärmung werden mit all den dystopischen Konsequenzen, die das mit sich bringt.
Es ist nicht leicht, die Erkenntnis anzunehmen und sich nicht mehr der Illusion hinzugeben, dass “es schon wird” und “wir die 1,5 Grad noch irgendwie schaffen” und es noch gelten würde etwas abzuwenden, was aber schon längst da ist.
Wir sind mittendrin und werden auch das Kollabieren von wichtigen Kippelementen erleben. Es werden stürmische Zeiten, wenn ich mir den Wetterbericht und die Sondersendungen zu Naturkatastrophen so anschaue. Wie erklären wir´s den Kindern?

Nun gut, auch das soll nicht zu viel Platz in diesem Brief einnehmen, die politische Debatte sowieso lieber im persönlichen Dialog, als jetzt weiter Weltuntergangshoffnungen hier auszubreiten.
Wie geschrieben, schaffen wir es noch ganz gut, uns mit dem Leben hier zu arrangieren und die ganzen Haupt- und Nebenwidersprüche, die uns anspringen, auszuhalten. Die Erfahrung mit Permakultur und nachhaltigen Wertschöpfungsketten, sowie die Einsicht, dass noch an so vielen Stellen mehr was bewegt werden sollte, wenn wir auf das Verbindende schauen, das Gemeinschaftliche und Solidarische in den Mittelpunkt stellen.

Euch allen ein gutes, produktives und möglichst sorgenfreies Jahr 2024!
Um es mit Douglas Adams zu sagen: Es ist “sehr unwahrscheinlich” dass wir auf “diesem völlig unbedeutendem blau-grünen Planeten am unmodernen Ende eines recht unbedeutenden Nebenarms der Milchstraße” das Leben genießen dürfen.
Macht was draus und lasst uns hoffen, dass die Bilanz Ende 2024 positiver ist als die, die wir für 2023 ziehen müssen.

Bei uns bleibt es sicher spannend und turbulent. Wir überlegen z.B. gerade, wie wir unsere Hausparty Anfang Februar mit der nächtlichen Ausgangssperre zusammen bekommen ;-)

Viele Grüße aus dem Land der Vulkane

Brief aus Quito #2

Hier nun ein weiterer Brief aus Quito,
der eigentlich berichten sollte, wie es uns nach den ersten 6 Monaten hier so geht,
begonnen wurde er im Juli, aber dann waren plötzlich Sommerferien und dann K1s Einschulung und da war es schon September..
Es passiert weiterhin viel (gleichzeitig) und ich finde gerade nur wenig Zeit mich an den Schreibtisch zusetzen.
Gerade sitze ich in Mindo auf der Terrasse mitten in einem magischen Wald und nehme mir schließlich die Zeit den Brief fertigzuschreiben.

Wir haben uns nun eingerichtet und müssen uns (immer noch) in den neuen Alltag finden, der sich durch kontinuierliche Veränderungen auszeichnet.
 Dazu fühlt es sich gerade nach einem Wechsel des Modus an, die Euphorie des Ankommens macht der Herausforderung des Einfindens Platz. Wieviele Phasen des Ankommens gibt es? Unsere Tagesstrukturen haben sich in den acht Monaten, die wir jetzt hier sind, immer wieder verändert: erst die Eingewöhnung in die Kitas, dann die zwei Monate Sommerferien im Juli und August, Ferienprogramme und dann den Wechsel in die Schule für K1; dazu kommen viele Dienstreisen meiner Partnerin in abgelegene Ecken Ecuadors, die ersten Besuche aus Europa und spannende neue Bekanntschaften. Mir kommt öfters der Gedanke, dass das Ankommen/Einfinden gerade erst angefangen hat und eine ganze Zeit dauern wird.

Es ist nicht leicht 4 Leben auf einen anderen Kontinent zu transferieren. Mit etwas Abstand denke ich in letzter Zeit viel über die letzten 3 Halbjahre nach: der Sommer nach dem WG-Konflikt in Frankfurt, Luft holen und der Abschluß der Weiterbildung…Dann unmittelbar die Nachricht, dass es mit Ecuador geklappt hat, ein halbes Jahr des Packens und der engen Zeitpläne, weil der (ungefähre) Abflugtermin  im Januar/Februar schon bald feststeht; die Dienstreise meiner Partnerin im Dezember und wieder volle Breitseite Pandemie…Und dann hier in Quito der Moment des Ankommens zwischen Koffern in einer komplett leeren Wohnung, in einem komplett neuen Umfeld am anderen Ende der Welt, das Reingeworfen sein in den Alltag mit 2 kleinen Kindern. Es verlangt uns auch als Paar einiges ab, den Alltag zu bewältigen mit einer neuen Rollenverteilung, dem Begleiten der Kinder bei der Umstellung auf die andere Umgebung mit einer für sie fremden Sprache, und auch das sich Finden als Familie, die das erste Mal ohne MitbewohnerInnen lebt. Umso spannender natürlich die ganzen Details zu sehen: Plötzlich K2 vor sich zu haben, der in den letzten Monaten einfach mal zwei Sprachen aufgesogen hat und jetzt versteht und anfängt zu sprechen. Viel Euphorie, die Energie gibt.
Es bleibt turbulent.

Der Blick auf die Landschaft und die Vulkane.
Es ist (immer noch) sehr faszinierend im Gebirge auf 2800 Metern ü.n.N. zu leben. 
Wetter und Geographie faszinieren immer wieder aufs Neue. 
Das große Privileg einer Panoramasicht auf ein Seitental der Stadt mit viel Grün und (bei guter Sicht) zwei Vulkane (Cayambe und Los Illinizas) führt zu einem sehr intensiven Wahrnehmen des Wetters, es ist immer präsent wie sich die Landschaft draußen wieder und wieder verändert. 
Die Wolken beim Ziehen beobachten zu können ohne aus der Hängematte im Wohnzimmer aufstehen zu müssen.

Mir gefällt dieses Hochgebirgsklima sehr, auch wenn es gerade sehr viel mehr regnet als üblich und die Leute auf dem Land sehr in Sorge sind, weil ihnen die Sonne für eine gute Ernte fehlt.
Es wird wohl erst im Rückblick klar sein, ob es das Wetterphänomen „La Niña“, die Klimakatastrophe oder eine Kombination von beidem ist, die das Wetter hier dieses Jahr besonders aus dem Takt bringen.

Fahrräder und Auto sind mittlerweile besorgt; mit dem Fahrradträger als verbindendem Element zwischen den Mobilitätsformen können wir uns jetzt auch ins Abenteuer auf dem Mountainbike stürzen.
Wir machen viele Ausflüge hier in der Sierra (Gebirgsregion) seitdem wir ein Auto haben und versuchen uns möglichst weit in die Natur vorzuwagen. Es gibt in direkter Nachbarschaft ganz viele verschiedene Landschaften.
Wir waren schon viel unterwegs in den letzten Monaten: Quilotoa und Cañon de Toachi; der Wald rund um Mindo, der eine ganz besondere Kraft hat; die Seen und Lavafelder rund um den Vulkan Antisana; Baños, das mit seinen Thermalquellen und vielen Wasserfällen in einer Schlucht liegt, die die Anden durchschneidet; die Pazifikküste bei Pedernales/Coijmies; die Paramos im Cayambe-Coca Nationalpark, da hat es dann mit über 4000 Metern ü.n.N. am Äquator schon nur noch einstellige Temperaturen, viel Nebel/Wolken und eine beeindruckende Vegetation; es gibt soviel zu entdecken.
Bei dem Wochenend-Ausflug zum Vulkan Quilotoa (einen Ort, den wir schon aus früheren Reisen kennen) und dem Cañón de Toachi, konnten wir auch schon Folgen der viel zu vielen Niederschläge dieses Jahr sehen. Die Strasse ist an vielen Stellen durch Steinschläge teilweise blockiert oder abgerutscht, eigentlich nur einspurig befahrbar. Die Menschen vor Ort mit denen wir uns unterhalten haben, fürchten alle um die Ernte, weil die Sonne fehlt. Es wird von einem Jahr ohne Sommer gesprochen. Auch die Konfrontation mit unseren Privilegien: als Städter mit überdurchschnittlichem Einkommen, die nicht vom eigenen Gemüsegarten abhängig sind.

Cañon de Toachi

Paramo

NP Antisana

Sonnenuhr Quitsato, Cayambe

Jetzt ist Ende Oktober und wir sind wieder in Mindo und auf dem Weg zum Pazifik. Im August hatten wir schonmal das Glück einer Woche am Pazifik – in einem einfachen Hostal auf der Halbinsel von Coijmies direkt am Strand die Wellen und das Meeresrauschen zu genießen: es ist immer wieder beeindruckend wie laut die Natur ist. Es ist auch immer wieder faszinierend sich das immerwährende Rauschen zu vergegenwärtigen und zu beobachten, wie sich die Wahrnehmung der Natur und des ständigen Rauschens jeden Tag verändert.
Dazu die Bilder: Immer besonderes Licht, immer Farben, immer dieser unendlich große Ozean. Wir konnten mit den Kindern viel am Strand spazieren oder sie einfach im Sand graben lassen und dabei Muscheln und Steine in allen erdenklichen Formen und Farben sammeln.

Die Fahrt zum Strand (diese Woche werden wir in Mompiche sein) unterbrechen wir aktuell immer in Mindo, weil K2 uns die Hölle heiß macht, wenn wir ihm Autofahrten über 3-4 Stunden zumuten.
Mindo ist ein kleiner Ort, der mitten im riesigen Nebelwald Mindo-Nambillo liegt, ein Schutzwald, der seit 1988 besteht und mit noch vielen Primärwaldflächen Biodiversitätshotspot ist. Es fühlt sich jedes Mal aufs Neue besonders an hier zu sein; erinnert mich immer wieder an das Gefühl, das ich aus Fontainebleau kenne – es gibt eine eigene Energie, eine Kraft, die vom Wald ausgeht. Ein “Auenland”, was es zum Glück noch gibt, weil die Leute hier vor Ort das für erhaltenswert gehalten haben.
Eine Natur, wie wir sie bei uns schon lange ausgerottet haben.

Nach dem ersten Urlaub am Pazifik war es dann in der ersten Septemberwoche soweit und K1 hatte seinen ersten Schultag. Als Eltern schaut man sich da um und denkt: “Was? Die ersten sechs Jahre schon rum? Wo kommt dieses Schulkind her? ;-)”
K1 hat das Glück, dass er die meisten neuen Mitschülerinnen im letzten halben Jahr schon in der Kita kennengelernt hat und die Umstellung jetzt in erster Linie aus dem Statuswechsel und damit einhergehend aus Schulranzen, Stundenplan und einer Lehrerin besteht. Es macht ihm augenscheinlich viel Spass und er lernt jetzt fleißig Zahlen, Silben und Sachkunde. Oma und Opa  haben es sich nicht nehmen lassen, den ersten Schultag mitzuerleben, sie konnten die ersten Wochen mit dem Schulkind miterleben aber dadurch auch nicht viel vom Land sehen. Auch für die Erwachsenen rund um so ein Schulkind ändert sich einiges, Reisen und Urlaube sind nicht mehr jederzeit möglich ist, wir werden jetzt noch mehr an den Wochenenden unterwegs sein, um das Land zu entdecken.
Insgesamt ist es verrückt, wieviel im September los war, neben der Einschulung und dem Besuch von Oma und Opa, auch viele neue Erfahrungen, meine Partnerin und ich gerade machen und die uns wieder einen großen Schritt weiterbringen, wie das auch schonmal in Bogota passiert ist.

Das Land der Vulkane, ein wiederkehrendes Thema, das gerade richtig an Fahrt aufnimmt: Aktuell gibt es je nach Zählweise 5 oder 6 Vulkane mit erhöhter Aktivität, darunter auch der Cotopaxi und Reventador, die in direkter Nachbarschaft zu Quito liegen. Es ist ein besonderes Naturerlebnis (auch wenn wir es nicht aus unmittelbarer Nähe erfahren können) mitzuerleben, wie diese Vulkane regelmässig kilometerhohe Rauchsäulen aussteigen lassen oder (im Fall des Sangay) Lavaströme die Flanken der Vulkankegel runterfließen.
Persönlich beunruhigen mich die aktiven Vulkane weniger als das Thema (schwererer) Erdbeben, da die Vulkane intensiv überwacht/beobachtet werden, teilweise ja seit langer Zeit vor sich hin brodeln und sicher genug Zeit für eine Evakuierung bleibt. Interessant vielleicht der Nexus zum Klimawandel, den VulkanologInnen sehen, weil große Niederschlagsmengen auf das Deckgestein der Vulkane Auswirkungen auf die Aktivität haben.

 

Ein großes Thema sind die (politischen) Entwicklungen im Land. Es gibt einen in der Öffentlichkeit viel diskutierten Konflikt zwischen Staat und Narkos, der zum Glück wenige Auswirkungen auf den Alltag der meisten Menschen hat, aber sehr offensiv in Guayaquil ausgetragen wird. Es sollen vor allem Kartelle aus Kolumbien und Mexiko sein, die die ecuadorianischen Häfen als Logistikdrehscheibe entdeckt haben.. Diese Konflikte haben indirekt natürlich Auswirkungen auf die Strafverfolgung insgesamt und damit natürlich auch auf die öffentliche Sicherheit, die permanentes Thema in den lokalen Medien ist.
Dazu hatten wir im Juni einen Streik des indigenen Dachverbands CONAIE, der das Land drei Wochen lahmgelegt hat, weil die Indigenen (berechtigterweise) ihre Rechte durch die Regierungspolitik verletzt sehen. Die Regierung zeigt sich nicht immer sehr geschickt, insb. Guillermo Lasso, der als Präsident für eine Politik steht, die rein wirtschaftszentriert ist und keine richtige Idee vom guten Regieren hat. Uns hat der Streik insofern getroffen, dass wir aufgrund der Demonstrationen in Quito und landesweiten Straßenblockaden, sowie der sich in der Zeit des Streiks sehr viel schlechteren Sicherheitslage nicht mehr uneingeschränkt aus dem Haus durften. Wir haben uns parallel zum Streik ‘zum Glück’ eine leichte Covid-Infektion angelacht, die uns einen zweiten Grund gegeben hat zu Hause zu bleiben. Dazu hat die Schließung der Kitas während des Streiks unseren Alltag wieder gut durcheinander gewirbelt und außerdem den Kita-Abschluß verhindert, die Kindern sind aus dem Online-Unterricht direkt in die Ferien gegangen.
Der Streik endete nach einer Eskalation mit mehreren Toten überraschend durch ein lange überfälliges Einlenken des Präsidenten. Bis Oktober wurde ihm “Probezeit” von den Streikenden genehmigt, um einige Vereinbarungen umzusetzen, die soziale Mißstände mildern sollen. Meine Partnerin bekommt in ihrer täglichen Arbeit zu spüren, wie die folgenden Dialogprozesse den gesamten Verwaltungsapparat absorbieren. Im Oktober standen wir kurz vor einem weiteren Streik, zu dem dann aber am Ende doch nicht aufgerufen wird. Die Missstände bleiben, aber der Schwung auf Seiten der sozialen Bewegungen ist erstmal raus.

Wir haben hier auch schon beide Kindergeburtstage und eine Hauseinweihungsparty (Wasipichai) gefeiert und guten sozialen Anschluß gefunden. Für die Kinder ist dazu noch regelmäßig Kindergeburtstag, weil hier jedeR MitschülerIn alle Kinder der Klasse einlädt.

Unsere erste Hausparty war nicht so groß wie in der Kaiserstrasse und aufgrund der vielen Kinder am Nachmittag, aber wir hatten nicht weniger Spass und sehr nette Gäste zu Besuch. Es war ein schöner Moment des Ankommens. Spät – erst jetzt erst nach den Sommerferien –  aber herzlich wurden wir hierbei begrüßt, was ein schönes Gefühl aufkommen läßt, dass es (schon) einen Freundeskreis gibt, der sich jetzt nach und nach erweitern wird.

Die Privilegien-Reflexion nimmt bei mir gerade viel Raum ein.
Es ist interessant an wie vielen Stellen wir tagtäglich mit unseren Privilegien konfrontiert werden. Es gibt nicht diese Distanz, die uns in Europa vor dem direkten Kontakt mit Armut, Kolonialismus und Einkommensgefälle im globalen Süden schützt.
Disparitäten sind hier sofort im unmittelbaren Umfeld sichtbar, nicht mehr entkoppelt von der kleinen Lebensrealität, und plötzlich ganz nah.
Alleine ein eigenes Auto ist sowas an dem sich Privilegien festmachen. Man gehört ganz augenscheinlich zu einer besitzenden Klasse. Aber zu der gehören wir (natürlich) immer, nur ist uns das in Europa weniger bewußt. Oder, wenn wir uns verdeutlichen, wieviel Geld wir in den Umzug, das Haushalt einrichten und Autokauf stecken mußten, und dass wir das zum Glück irgendwie mobilisiert bekommen haben. Es aber gemäß der Kaufkraft hier, erhebliche Dimensionen hatte, was wir da ausgeben mußten: der Kühlschrank, der 2 Mindestlohn-Monatsgehälter kostet, die Matratze, die ein Monatsgehalt kostet, usw. Und uns laufen tagtäglich Menschen und leider auch viele Kinder über den Weg, die nicht ansatzweise die gleichen Chancen und Perspektiven haben, wie unsere Kinder. Es ist in jeder einzelnen Situation schwer, damit einen guten Umgang zu finden und erst recht, Situationen mit den Kindern nachzubesprechen, Dinge zu erklären, die nicht erklärbar weil nicht einleuchtend sind.

Es fällt mir da auch schwer Geschichten/Biographien, wie die einer Freundin zu hören, die sich durch ein Master-Stipendium in London einerseits einen Baustein für ihre Existenzsicherung und einen sozialen Aufstieg geschaffen hat und andererseits zerrissen davon zwischen den Welten ist. Zu hören, in welcher Sicherheit sie in London als Frau leben kann und welche Freiheiten sie da im Vergleich zu Quito hat, und dass dies zur entscheidenden Motivation wird, wieder dorthin kommen zu wollen, auch, wenn die Migration einen hohen (sozialen) Preis hat.  Wie viele Hürden da aus dem Weg geräumt werden müssen weil die Mobilität in den globalen Norden so schwer wie möglich gemacht wird. In der Theorie nichts unbekanntes, aber immer wieder hart, solche Biographien im nahen Umfeld zu erleben und zu begleiten.

Ich sehe auch da direkt wieder, dass ich in meinem Leben noch wenige Barrieren gefunden habe, die nicht überwindbar gewesen wären, oder mich sogar am Beschreiten eines bestimmten Weges gehindert hätten.
Ich habe dann auch auszuhalten, dass ich als weißer Mann ganz woanders stehe. Ob ich will oder nicht.
Wie kann ich da depressiv angesichts der Lage der Welt den Kopf in den Sand stecken, wenn solche Personen sich auch noch um Geflüchtete und MigrantInnen mit Gewalterlebnissen kümmern.

Ich bin für diese Konfrontation und die damit einhergehenden Reflexionsprozesse auch sehr dankbar, es hilft zu Erkennen wo es Hebel zum Handeln gibt, wo man sich gegenseitig unterstützen kann und ich bin sehr überrascht, dass ein konstruktiver und positiver Umgang mit einem so schwierigen Thema möglich ist und die Kommunikation in beide Richtungen geschätzt wird. Lernen dürfen und das gegenseitige Einverständnis aller Seiten in den Prozeß des Veränderns; das habe ich in vielen Konflikten in den letzten 2 Jahren so nicht immer erlebt.

Verrückt wie schwer es ist, enge Verbindungen über die Entfernung zu halten. Trotz aller Digitalisierung des Lebens und überall erreichbar Seins, spielt die physische Entfernung über 6 Zeitzonen doch auch eine wesentliche Rolle; natürlich ist es auch eine Frage der Ressourcen, die zur Verfügung stehen und wie sie genutzt werden: intensiver Miterleben was das Zeitgeschehen so macht und Kontakt nach Europa halten oder die Menschen vor Ort kennenlernen. Wie verfolgt man die ecuadorianischen Nachrichten und wie behalte ich gleichzeitig im Auge, was in Europa passiert. Wie verarbeite ich diesen Wahnsinn, der da auf mich einstürzt? Geht soviel überhaupt in einen einzelnen Kopf? Am liebsten nur noch Wissenschaftsnachrichten im Moment… ;-)

Ich freue mich auch immer über kurze Nachrichten von Dir – gerne mit aktueller Adresse, da ich mich aktuell durch mein  vernachlässigtes Adressbuch arbeite.. (Dies kann auch immer ein Grund dafür sein, dass Menschen im Verteiler fehlen oder sich wundern warum die Briefe erst bei #4 beginnen… Gerne die kurze Nachricht an mich (sic!)! Die Briefe sind auch alle (in anonymisierter Form) auf eckgasse.de/la online abrufbar.

Viele Grüße aus dem Land der Vulkane

Brief aus Quito #1

Hallo, 

nach den ersten Wochen in Quito der Versuch ein paar Eindrücke zu schildern. 

Wir genießen die Zeit hier mit den Höhen und Tiefen, die wohl zu so einem Abenteuer dazugehören:

Wir sind gut in der Wohnung und der Nachbarschaft angekommen, allerdings sind wir noch weit davon weg eingerichtet zu sein. Die Kinder geniessen  es sehr den Gemeinschaftsgarten direkt vor der Tür zu haben und seit einer Woche haben wir uns die ‚Terrasse‘ auch mit einem Sofa eingerichtet, so dass es auch alle die gerade nicht durch den Garten spielen, einen schönen Platz zum Verweilen haben. 

Die grundsätzlichen Sachen funktionieren: Die Kinder haben ihre Kitas, wir haben viel Unterstützung von den Nachbarn, wenn wir mal wieder nicht weiter wissen, und erschliessen uns unser neues Umfeld stück für stück. 

Wir haben es auch in der Nachbarschaft und dem Viertel (La Floresta) toll angetroffen und wirklich Glück gehabt, was die Wohnung angeht: Wir haben eine Wohnung mit gelungener Architektur, einen  Gemeinschaftsgarten mit Trampolin, Klettergerüst und Pfützen für die Kinder, und neben einigen Nachbarskindern gibt es auch viele Katzen, die K(ind)2 immer wieder zu Such-Expeditionen verleiten.
Wir sind in einem Teil der Stadt gelandet, der eine kleinteilige Nachbarschaft hat, die wir immer besser kennenlernen. Fußläufig gibt es alles was es braucht und erste Beziehungen zu den Leuten haben wir auch schon geknüpft: Restaurant für den Mittagstisch, wenn es mal nicht zum kochen reicht, Schreibwarenladen, Gemüsehändlerin, Eisenwaren- und Handwerksbedarf, Schneiderei, einige Cafés und ein kleines Hotel für Gäste, die uns besuchen wollen ;-)

Möbel und andere Einrichtungsgegenstände besorgen ist ein Abenteuer für sich, auch wenn wir durch viele ExPats in der Nachbarschaft von Kontakten und Erfahrungen profitieren: 

Zuerst muss einE HandwerkerIn gefunden werden, die/der die entsprechenden Möbel anbietet und idealerweise weiß was sie/er tut (hierfür hilft stundenlanges recherchieren/surfen auf Plattformen wie facebook marketplace oder mercadolibre).. Dann schliesst sich eine ausführliche Abstimmung über whatsapp an (welche Maße müssen es sein; welche Details werden angeboten oder können angepasst werden; wie lange ist die Lieferzeit; welche Zahlungskonditionen wünscht sich der Handwerker) Wenn dann die Anzahlung überwiesen ist, wird das Regal, Bett, Teppich, Schreibtich, etc. 1-2 Wochen später geliefert.

Wir sind optimistisch, dass wir die Wohnung bis Ostern auch vollständig eingerichtet haben.

Die Kinder geniessen das Abenteuer auch weitestgehend.Sie haben ihre Kitas und sich da auch schon gut eingelebt. Wir haben eine tolle Kinderfrau gefunden, die an drei Nachmittagen in der Woche da ist und mit der K1 und K2 gerne Zeit verbringen. 

In K1s Alltag an der deutschen Schule haben wir wenig Einblick, weil wir nicht viel aufs Schulgelände kommen, aber im Elterngespräch letzte Woche haben wir nur positives über sein Ankommen/Integration gehört.

Beide haben auch schon Anschluss an die Kinder in der Nachbarschaft gefunden, wir haben viele Kinder zwischen 0,6 und 16, die entweder auch direkt am Garten oder in unmittelbarer Nachbarschaft wohnen. Die Integrationskraft eines Großen Trampolins ist bemerkenswert ;-)

Eine erste Reise an die Pazifikküste hatten wir in der zweiten Woche (Ende Februar), so dass wir auch schon was außer Quito gesehen haben. Das war ein Abenteuer für sich: Weil es im Februar viel geregnet hat, waren alle Strassen zwischen Quito, Puerto Quito und Esmeraldas durch Erdrutsche versperrt, so dass wir statt 3 Stunden den ganzen Tag damit beschäftigt waren einen Weg zu finden oder im Stau zu stehen. Die Tage am Pazifik (wir waren in der Nähe von Atacames) haben dafür aber reichlich entschädigt, auch wenn die Kinder eigentlich nur den ganzen Tag rund um den Pool spielen wollten, war die Zeit am Strand und in den Wellen für beide ganz beeindruckend.

Das Wetter in Quito ist wie üblich für diese Jahreszeit sehr durchwachsen, aber sehr faszinierend zu beobachten. Wir haben den Eindruck hier auf 2800 Meter Höhe in einem Wolkenschloss zu wohnen – alle 30 Minuten kann es ganz anders aussehen: In einem Moment sieht man nichts, weil das ganze Tal mit Wolken geflutet ist, dann reißt es auf und die Sonne brennt, um wieder eine halbe Stunde später einen Platzregen prasseln zu hören. Es ist hat glücklicherweise immer so um die 20 Grad, so dass frieren eher die Ausnahme ist und sich auf die Abende beschränkt, die nicht das Glück hatten auf einen Tag zu folgen an dem überwiegend gutes Wetter nicht bis nachmittags um 16/17 Uhr gehalten hat. Am späten Nachmittag ‚kollabiert‘ das Wetter dann gerne und es regnet sich für ein paar Stunden ein.

Wir haben auch schon einige Ecken von Quito entdeckt: Rosenmontag hatten wir spontan die Idee uns die Altstadt anzuschauen, was darin geendet hat, dass wir auch dieses Jahr nicht auf den Karneval verzichten mussten, auch wenn ihr anders und ohne „Festordnendes Komitee“ anarchistischer gefeiert wird als z.B. in Köln am Rosenmontag. (Zur großen Freude von K1 und K2 besprüht man sich gegenseitig mit Schaum aus Dosen statt Kamelle zu werfen. Okay, K1 hat die Kamelle schon auch sehr vermisst..)

Ansonsten bewegen wir uns im Moment aber vor allem in der Nachbarschaft und entdecken hier die Cafés, Spielplätze und Fahrradläden. 

Wenn wir dann in den nächsten Wochen Fahrräder bekommen und die Luftfracht mit den Fahrzeugen/Fahrrädern der Kinder ankommt, werden wir dann sicher auch mehr von den Stadtvierteln rund um die Floresta erkunden. Genau wie in Bogota, gibt es sonntags hier ja auch die Ciclovia (d.h. dass viele Verkehrsachsen für den Autoverkehr gesperrt werden und diese mehrspurigen Strassen den FahrradfahrerInnen, SkaterInnen, SpaziergängerInnen überlassen werden).

Inzwischen haben wir auch entdeckt, dass es hier auch eine SoLaWi gibt und haben schon unsere erste Lieferung von Gemüse und Milchprodukten bekommen. Es ist spannend zu sehen, dass es hier auch solche Initiativen gibt und sich ProduzentInnen-KonsumentInnen-Beziehungen anders gestalten lassen als über die riesigen Supermärkte für die Besserverdienenden. 

Auch wenn wir die Vulkane bisher nur aus der Ferne gesehen haben, (bei klarem Wetter können wir den Cayambe morgens von unserer Wohnung aus sehen) haben wir in den letzten Tagen erlebt, dass wir in einem Land mit vulkanischer Aktivität sind und hätten am Wochenende (die Nacht der Zeitumstellung in Europa) die ersten größeren Erdbeben erleben können, wenn wir sie nicht verschlafen hätten. 

Ich habe mein Adressbuch durchforstet und überlegt, wer so einen Brief bekommen will, wenn Du nicht weißt, was Du mit dieser mail anfangen sollst und keine Post mehr bekommen möchstest, gib mir bitte jederzeit Bescheid.
Beim Durchforsten meines Adressbuchs, ist mir aber auch aufgefallen, dass die Qualität der Daten (unvollständige und/oder nicht mehr aktuelle Datensätze; nur die dienstliche mail-Adresse, etc.) zu wünschen übrig läßt, ich freue mich jederzeit über Deine aktuellen Adressdaten :-) Meine sind in der Signatur, falls Dein Adressbuch nicht mehr auf dem neusten Stand ist ;-)

    

die utopische Stadt III

Die Niddastrasse mit Radweg als “schnelle” Rad-Achse vom Hauptbahnhof über Bahnhofvorplatz und Karlstrasse und verteilt den Radverkehr im Anlagenring, richtung Alte Oper/Westend oder richtung Bankenviertel/Schauspiel/Römer/Innenstadt.

Natürlich wäre eine entsprechende Einbindung des Anlagenrings mit entsprechenden Radweganschlüssen, Zebrastreifen/verkehrsberuhigte Zonen an Stellen, an denen Autoachsen den Anlagenring kreuzen, etc. ganz wünschenswert.

Der Unort zwischen Niddastrasse, Mainnova Umspannwerk und Marieninsel könnte durch andere Gestaltung/Wegnahme des Zauns und Einrichtung von bspw Cafe und Fahrradwerkstatt in Seecontainern belebt werden.

 

die utopische Stadt – organisations… I

Warum organisieren wir einen Schreibwarenladen, wie den Münchener- Ecke Moselstrasse nicht als Kollektivbetrieb.

Liese sich morgen realisieren, wenn wir die BesitzerInnen überzeugen würden.
Für die würde sich nichts ändern, es würde nur ein Netz von UnterstüzerInnen dazukommen.
Sie würden vielleicht auch sehen, dass der Laden in guten Händen ist und “läuft”.

Der Laden könnte neben dem Stammpublikum auch Design-Studierende aus Offenbach versorgen und denen einen weiten Weg abnehmen, die nicht bis raus zu Boesner fahren wollen.

Parallel könnten wir mit Memo kooperieren, zT. deren Sortiment führen und dafür Auslieferungsplattform für Frankfurt/Offenbach sein und parallel anschauen, welchen Geschäftskunden-Stamm wir haben.

Ein springender Punkt wäre natürlich die Organisation des Kollektivbetriebs. Einen Prozess beginnen und schauen wohin es den Laden treibt. Mit genug Rückenwind wäre da sicherlich einiges zu machen. Ansatz des MHS realisieren, Die, die ihn gerade machen, haben es in der Hand. Andererseits können die sich dann auch gut fühlen, wenn sie mal den Job wechseln wollen. In der idealen Welt soll es ja so sein, dass Kollektive, die eine möglichst breite gemeinsame Erfahrung haben am produktivsten zusammenarbeiten und die Unternehmung sich selbst führen lassen.

 

 

die utopische Stadt II

Und wenn doch 3 Strassenbahnen im 10 min Takt eine Strasse befahren, 

Münchener Strasse – die Parktaschen sind zu Flächen für die Aussengastronomie (mit vielen begrünten Elementen) umgestallt immer wieder unterbrochen für Ladezonen der anliegenden Geschäfte. Bei 3 Strassenbahnen im 10 min Takt, haben wir den motorisierten Individualverkehr komplett aus der Strasse rausgenommen und stattdessen breite Fahrradwege in beiden Richtungen neben dem Gleisbett geschaffen, die als Fahrradachse vom Hauptbahnhof in die Innenstadt dienen. Die parallel verlaufende Kaiserstrasse ist den Fußgängern vorbehalten, die von einem autofreien Bahnhofsvorplatz, der als großer Platz Ankommen und Begegnungen an einem mit dem HBF zentralen Verkehrsknotenpunkt zuläßt, auf dem man sich in Cafes zurückziehen kann, wenn man sich mit der Affäre aus einer anderen Stadt trifft oder Geschäfte abwickeln kann.

Zurück zur Kaiserstrasse. Über diese wichtige Verkehrsachse flanieren die tausenden Besucher der Zeil jeden Samstag autofrei vom Hbf bis auf die Hauptwache. Viel Aussengastronomie, eine Atmosphäre, die Fassaden der gründerzeitlichen Bürgerhäuser wieder richtig zur Geltung kommen lässt. Auch hier viel Aussengastronomie, viele Bänke und kleine Plätze die zum verweilen einladen. Ein großer Gründer Platz vor der EZB an der die Kaiserstrasse den Anlagenring trifft.

Die Verkehrsachsen, die die Kaiserstrasse kreuzen werden, mittlerweile verkehrsberuhigt, wie am Ausgang der Goethestrasse.

Vom Karlsplatz aus gesehen ist jeweils der erste Block der Nidda- und Moselstrasse und auch die Elbestrasse Fußgängerzone. Da die Frequenz der Fußgänger (auch wenn es u.a. immer noch viele drogenabhängige und Obdachlose sind) genauso hoch ist wie auf der Fressgas gibt es keinen Grund hier keine Fußgängerzone mit vielen Bäumen, Bänken, Abfalleimern und öffentlichen Toiletten  einzurichten. Die ganze Situation in den Strassen hat sich so schon vor Jahren entschärft, in den sanierten Häusern, die 2019 noch leerstanden, haben isch soziale Einrichtungen und Cafés eingerichtet, viele Cafes von sozialen Trägern oder Stadtteilinitativen betriebene und gemeinsam finanziert.

Die Taunusstrasse dient noch als Achse für den motorisierten Verkehr, aber mit reduziertem Verkehrsaufkommen, Andienung an den Bahnhofsvorplatz erfolgt über Düsseldorfer Strasse und vom Baseler Platz aus. Das 

Parkhaus am Busbahnhof ist komplett zu einem großen Fahrradparkhaus umgebaut von dem aus breite Fahrradwege in die ganze Stadt führen.

In Helsinki gibt es an jeder Strassenecke eine Zebrastreifen. An viel befahrenen Kreuzungen zusätzlich eine Ampel. Damit ist das Prinzip Vorfahr für Fußgänger statt motorisiertem Verkehr umgesetzt. Der Autofahrer muss angepasster und defensiver fahren, Tempo 30 flächendeckend in der Stadt ist selbstverständlich. (Bevor jetzt irgendjmd schreit, ein FFF Zitat: United behind the science, zeigt mir erstmal die unabhängige Studie, die zeigt, dass es nicht sinnvoll ist.)

Wo ist das Recht festgeschrieben eine Stadt in einer vorgegebenen Zeit x durchqueren können zu müssen?

Vielleicht dauert die Durchquerung einer Stadt mit entsprechend angepasster Strassenstruktur mit motorisiertem Individualverkehr: tStrassenbahn plus 10 min oder tFahrrad + 5 min

In Gent haben sie schon vor 2020 die Stadt in Tortenstücke aufgeteilt. Von einem ins andere Tortenstück kommt man nur über den Tortenrand. Ganz simples Prinzip. Lieferverkehr und Gewerbe wird kaum tangiert, aber es wird platz für neue Verkehrsachsen. Hier kommt auch die hippste SUV-Fahrerin auf dem Leih-E-Bike problemlos  in Minuten vom BHf über den Römer ins Ostend oder Allerheiligen Viertel. 

Sonntags gibt es nach dem Vorbild in Bogota und vielen anderen Städten, „CycloVias“: Sonntags und an Feiertagen ist der Anlagering, , einzelne Spuren auf der Miquelallee und die großen Ausfallstrassen (Schweitzer Strasse, Hanauer Landser, FRiedberger, Homburger, Bockenheimer, etc.) den FahrradfahrInnen, Inlineer, Familien, Spaziergängern, Strassenmusikanten und Joggern vorbehalten. Im Sinne des „Strahlenkonzepts“ verbindet sich die Stadt hier mit ihrem Grüngürtel, es gibt Programm an einigen Stellen, Spielmobile stehen Sonntags immer an einem anderen Platz…

Das Mainufer ist autofrei und läd alle zum verweilen und spazieren ein. Die Stellen mit Autoverkehr sind verkehrsberuhigt und/oder den AnwohnerInnen vorbehalten, so dass niemand schwere Einschränkungen hinnehmen muss, wenn er sein SUV hin und wieder aus der Tiefgarage seiner Villa mit Mainblick rausrangieren muss.

Das Hausprjoket am gegenüberliegenden Mainufer hat es geschickter gelöst und sich 3 Lastenräder für verschiedene Zwecke zugelegt und begegnet damit 90% des Trasportbedarfs des Hauses. E-Bikes mit Kofferraum, die jeden Großeinkauf auf dem Kaisermarkt zum Vergnügen werden lassen.

 Wieder mehr Gewerbe in den Strassen, weil Hausprojekte ihre EG—Flächen zu entsprechenden Mieten an HandwerkerInnen-Kollektive vermieten.

Gut, dass man sich so völlig frei und unabhängig vom Profit entscheiden darf, wen man als MieterInnen haben möchte

Häufig muss man auch nicht direkt Millionen dafür ausgeben alles neu zu pflastern. 10-20 Luft-Reinhalte-Container und eine Menge Schilder, Farbe und Barken tut es auch fürs erste und dann besorgt man sich einen zweckgebundenen Kommunalkredit von der KfW der die Umgestaltung mit viel Aufwand und Bürgerbeteiligung jähr für jähr umsetzt. Mal hier mal da.

Wichtig ist, dass die Umsetzung einer neuen Verkehrsführung innerhalb von Monaten erfolgen kann. Einfach mal mit dem BF-Viertel anfangen zum Beispiel, davon wird der Verkehr in der Stadt schon nicht zusammenbrechen. Und wenn mans mit der „neuen Altstadt“ vergleicht hat man da plötzlich ein lebenswertes Stadtquartier mit allen seien Ecken und Kanten für einen Bruchteil (Begriff von Georg Schramm benutzten) der Investitionskosten. 

Wieso ist die Strasse am Eingang einer Grundschule nochmal nicht als shared space eingerichtet? Idealerweise mit Schülerlotsen in den ersten Jahren. Die/Der ein oder andere VerkehrsteilnehmerIn versteht die anderen Regeln manchmal nicht auf Anhieb und wir wollen eine Gefährdung der SchülerInnen ausschliessen.

Direkt am Karlsplatz gibt es eine Quartierswache in der PolizistInnen in leichter Uniform, SozialarbeiterInnen und ehrenamtliche Supportstrukturen aus dem Viertel Hand in Hand arbeiten – für die Konflikte, die passieren, wird hier die ein oder andere Lösung gesucht. 

über den weg gelaufen

 

aus wikipedia :

“Bereits 1939/1940 formulierte Moltke in seiner Denkschrift „Die kleinen Gemeinschaften“ den Grundgedanken eines gesellschaftlichen Aufbaus „von unten“; der spätere Staat sollte auf Basis überschaubarer Selbstverwaltungseinheiten aufgebaut werden. Diese Vorstellung, die dem von katholischer Seite vertretenen Subsidiaritätsprinzip ähnelt, stellte eine radikale Abkehr vom traditionellen Obrigkeitsstaat dar und zieht sich durch alle Themenbereiche, die im Kreisauer Kreis bearbeitet wurden. Eng damit verbunden ist die Betonung einer moderaten Art des Individualismus, die sich gegen den (nationalsozialistischen) Kollektivismus (Volksgemeinschaft) und die Vermassung der urbanen Industriegesellschaft richtete. Im Zentrum aller Erwägungen stand der einzelne Mensch, dessen Freiheit der neue Staat im größtmöglichen Umfang gewährleisten sollte.”

Ciao mondo!

Nach nur 9 Jahren, doch nochmal online – Willkommen im virtuellen Atelier.

Veröffentliche hier Fragmente aus meinen Notizen, die häufig nicht lektoriert sind, auch nicht vollständig oder zusammenhängend. Freue mich immer über Austausch und Ergänzungen

Meine Posts aus den letzten Jahren sind leider nicht vollständig erhalten. Pflege immer mal wieder alte Texte nach, wenn sie mir über den Weg laufen.
Die Jahre 2007 bis 2019 bleiben aber sicher länger lückenhaft..

Welcome to NOBLOGS. This is your first post. Edit or delete it, then start blogging!

Reisenotizen

Wieder mal ist viel Zeit vergangen und in der Zwischenzeit noch viel mehr passiert. Streckenweise hat man das Gefühl es jagt alles zu schnell vorbei. Zwischendurch hatte ich den Gedanken diesen Blog einfach zu schliessen, weil “eh die Zeit fehlt zu schreiben”. Aber gut, um in kürze ein Update zu geben werde ich mal einige Dinge zusammenfassen.

Balken – Umbedingt sehenswert, unglaublich schön, voller Widersprüche, tolle Menschen. Werde versuchen trotz aller Schwierigkeiten die z.B. die Konfrontation mit Krieg in Bosnien mit sich bringt möglichstbald wieder hinzufahren. Küstenwandern mit dem Kajak wäre da so ein Traum…

Cairo – Immer noch der Versuch sich mit der Stadt zu arrangieren, zu leben, zu überleben. Letzten Donnerstag die Möglichkeit gehabt wieder mal ein einem tollen Kulturevent teilzunehmen, lange nicht mehr erlebt sowas, vielleicht seit VE nicht mehr. Leider nichts von unten, sondern vom GoetheInstitut organisiert, aber vielleicht trotz allem ein Anfang.

Alexandria – Auch da bin ich zwischendurch gewesen. Sehr schöne Küstenstadt, sehr tolle Ecken. Freue mich bald wieder da zu sein.

Was gibt es sonst neues? Mein Arabisch macht leichte Fortschritte, mein Yoga auch. Zu allem Überfluss hoffe ich, dass ich in den nächsten Monaten genug/noch mehr Zeit finde zu reisen oder besucht zu werden.
Mal schauen, wie das alles weitergeht.

Für fehlende mails muss ich mich an dieser Stelle genauso entschuldigen, wie für nicht-veröffentlichte Photos.
Leider fehlt die Zeit oder eher die Ruhe mich mal dranzusetzen. Ich bastele aber weiter an meiner Work-Life-Balance, vielleicht wird es ja nochmal irgendwann was, in ferner Zukunft.